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Tag 6: Crianlarich - Forest Lodge / Victoria Bridge

Laufen oder fahren?

Wir hatten uns heute extra einen Wecker gestellt, denn in der freien Natur wird man leichter von alleine wach als im Bett - zumindest nach meinem Empfinden. Außerdem hatten wir gestern beschlossen, trotz des Fehlers um die Eins, den Bus nach Tyndrum zu nehmen. Die Etappe zwischen Crianlarich und Tyndrum wäre ähnlich zu dem was wir gestern mehr oder weniger im Regen gesehen hatten und das Wetter war so unglaublich gut, dass wir unbedingt schon die nächste Etappe anfangen wollten. Außerdem war die Tatsache, dass wir es dann schön langsam angehen lassen konnten, einfach zu verlockend. 

Unser Zeitmanagement war wirklich perfekt und so standen wir um 8.20 Uhr an der Bushaltestelle direkt vorm Hotel, die Rucksäcke gepackt und die Postkarten in der Hand. Als der Bus kam, lösten wir beim Fahrer unser Ticket und genossen die gerade einmal zehnminütige Fahrt nach Tyndrum. Verrückt, zu Fuß hätten wir diese Etappe auf dem WHW einen halben Tag lang bestritten. 

Wieder zu Fuß unterwegs

In Tyndrum angekommen fanden wir nicht sofort den Weg zurück auf den WHW, da die Beschilderung nicht besonders gut war - aber weiterfragen hilft! Dank der freundlichen Hilfe zweier junger Wanderer war dieses Problem nämlich schnell beseitigt. Wir gaben unsere Postkarten in einem Hotel ab und dann ... party on! (Warum haben wir die eigentlich nicht in unserem eigenen Hotel abgegeben? Keine Ahnung.) 

Unterwegs überholte uns schon am Anfang ein junger Brite, dessen Waden komplett mit Midges-Stichen übersät waren. Ob er Schotte war (die lassen nämlich die Stiche meistens zu und ignorieren die Mücken - wie auch immer das geht) oder einen leichten Drang zur Selbstverstümmelung hatte, fanden wir nie heraus, denn er zog dahin wie ein junger Wanderfalke.

Die Sonne kam heute richtig zum Vorschein, als ob es gestern nie geregnet hätte. Im Reiseführer war die Etappe zwischen Tyndrum und Kinlochleven als recht schwierig bei schlechtem Wetter ausgezeichnet, da es nur wenig bis keine Möglichkeiten geben soll, irgendwo Unterschlupf zu erhalten. Auch Einkaufmöglichkeiten sind hier beschränkt. Deshalb rüsten sich die meisten Wanderer in Tyndrum nochmal mit Essen und allerlei Nützlichem. Wir hatten ja in Crianlarich schon eingekauft und konnten deshalb einfach losziehen. Im Reiseführer stand aber auch, dass die Strecke bei gutem Wetter gut zu wandern sei. Und heute hatten wir gutes Wetter. Langsam fragten wir uns, wo "unsere Crew" Mesut, der Bärtige und die Blumenrucksäcke wohl sein mochten... vielleicht hatten wir sie ja überholt? Durch unsere Schummelei mit dem Bus war das gut möglich. 

Wir genossen auf jeden Fall die wundervolle Etappe und wagten es sogar, die Hosenbeine zu kürzen. Nach dem gestrigen Regen war die Sonne und die wohlige Wärme auf unserer Haut eine richtige Wohltat. 

Walking on Sunshine

Über flaches Gelände und einen breiten Weg stöckelten wir so dahin bis zur Bridge of Orchy. Dort packten wir den Kocher aus und gönnten uns Fertig-Curry. Kaum fertig gegessen und die Töpfe gespült, fing es an zu regnen. Aber heute zogen wir gleich die richtigen Sachen an. Sowas wie gestern sollte uns nicht nochmal passieren. Und Anne hatte ja zum Glück jetzt auch alle Sachen in Tüten gepackt und somit auch diese GEfahr gebannt. heute wussten wir die zeichen der Witterung zu deuten! "Ab in den Schutz des Waldes!", dachten wir uns. Dort gab es allerdings tatsächlich kaum Schutz und so machten wir uns im Regen an den Aufstieg eines Hügels. Schon bevor wir oben waren, ließ der Regen jedoch nach und wir zogen die Jacken aus, nur, um sie kurz darauf wieder anzuziehen. Auf dem Gipfel hatten wir dann eine unglaublich schöne Aussicht und es bot sich uns ein wundervolles Naturspektakel: Links schien die Sonne, während rechts der Regen in Bindfäden prasselte. Wir bekamen nur ein paar Tropfen ab und genossen das wunderbare Schauspiel der Natur. Wie eine nasse Wand durchzog der Regen das satte Grün der Highlands. Einige Wanderer staunten gemeinsam mit uns und schon kurze Zeit später hatte sich der Regen gänzlich verabschiedet und die Sonne blitzte hinter den Wolken hervor. 

Ein kurzer Blick auf die Karte verriet uns, dass wir in dem kleinen Waldgebiet direkt vor unserer Nase im Tal schon nach einem Schlafplatz Ausschau halten konnte, denn unser Etappenziel für heute war erreicht. Zunächst waren wir etwas unschlüssig, aber nachdem Anne kurz den Platz etwa 50-100 Meter abseits des Weges im Schutz der Bäume ausgekundschaftet hatte, beschlossen wir, dort unser Lager aufzuschlagen. Und das war wirklich eine gute Entscheidung!

Midges, Midges, Midges...

Die teilweise klammen Klamotten hängten wir über eine Leine, die ich zwischen zwei Bäumen spannte und dann kochten wir etwas und genossen das Rauschen des direkt am Zelt vorbeifließenden Bächleins. Da die Midges noch nicht allzu wild waren, setzten wir uns noch eine ganze Zeit unter die Bäume und genossen den herrlichen Platz und die damit einhergehende Idylle. Als es dann kälter und zugiger wurde, verkrochen wir uns schließlich ins Zelt. Ich hatte mir fest vorgenommen, heute nicht allzu früh zu schlafen und den Sonnenuntergang in den Highlands zu genießen. Da hatte ich aber die REchnung ohne die Midges gemacht.. diese verdammten....

Glücklicherweise hatten wir uns auf der Beinglas-Farm auch mit diesen bescheuerten Kopfnetzen ausgestattet, an denen man Touristen aus Midges-freien Regionen üblicherweise identifizieren kann. Heute benötigten wir sie aber tatsächlich! Der Schwarm war so dicht, die CO2-liebenden Biester drängten sich förmlich um die besten Sitzplätze nahe des Gesichts. Schon bald beschlossen wir, den Rückzug ins Zelt anzutreten. Der Sonnenuntergang fand ohnehin irgendwo hinter den Bergen statt. Erst einmal ins Zelt geschlüpft, holte uns auch schon bald der Schlaf und wir schlummerten gemütlich.

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