top of page

Day 4: Rowardennan - Beinglas Farm

Die Unannehmlichkeiten von Tag 4

Trigger-Warnung: Es folgen kurze Beschreibungen unserer körperlichen Hygiene. Wenn du damit nicht zurechtkommst oder dich dabei unwohl fühlst, lies den folgenden Text bitte nicht oder lies ihn mit jemandem zusammen.

Heute ist Tag 4. Und Tag 4 ist der schlimmste. Bisher noch immer nicht geduscht, empfand ich langsam aber sicher ein Ekelgefühl gegenüber mir und meinem Körper. Die Haare waren echt fettig und mit der richtigen Kämmtechnik und sogar ohne Spiegel hätte ich mir einen Fashionweek-tauglichen Wetlook zaubern können. Bis zum angestrebten Campingplatz waren es wieder locker 20 Kilometer zu wandern. Wir hofften inständig, dass wir das schaffen würden, denn eine Dusche war echt dringend notwendig.

Jetzt geht's los

Nachdem wir also gefrühstückt hatten, ging es auch schon los. Laut Reiseführer stand uns ein abenteuerlicher Weg mit schwindelerregenden Höhen am Loch Lomond entlang durch Rob Roys Reich bevor. Rob Roy ist - bzw. war - so etwas wie der schottische Robin Hood, der im 18. Jahrhundert gelebt haben soll. Wer sich mehr dafür interessiert, gerne nachlesen. In jedem Reiseführer zum West Highland Way sollte aber auch mehr dazu stehen. Jedenfalls soll Rob Roy im Wald gehaust und Geiseln gehalten haben. An seiner Höhle und seinem Gefängnis  würde unser Weg heute vorbeiführen.
In Anbetracht der kühnen Ankündigungen im Reiseführer rechneten wir heute mit anstrengenderen Passagen. Zu Anfang hatte man die Wahl, zwischen dem "abenteuerlichen" Weg unten am Loch Lomond und dem einfachen Forstweg mit angeblich schönen Aussichten. Wir entschieden uns - natürlich - für das Abenteuer. Rock'n'Roll, ihr Affen! 

Auf ins Abenteuer

Der Weg war durchaus machbar und gar nicht so abenteuerlich, wie der Reiseführer es angekündigt hatte. Vielleicht aber auch, weil wir mal wieder großes Glück mit dem Wetter hatten. Bei strömendem Regen stelle ich mir die Passage etwas schwieriger vor, da sie über kleine Felsvorsprünge führt und immer direkt am See vorbeiläuft. Nach 5 km führten beide Wege (der Forstweg und der Abenteuerweg) wieder zusammen und wir machten eine kleine Rucksackpause. Rob Roys Gefängnis hatten wir jetzt irgendwie verpasst. Aber egal - zurücklaufen würde ich deshalb jetzt sicher nicht. 

Wir sattelten wieder die Pferde und fuhren den Marsch fort. Während wir auf dem Abenteuerweg noch recht alleine gewesen waren, trafen wir ab hier wieder vermehrt auf Wanderer. Ein paar überholten uns. Okay, die meisten eigentlich. Außer die alten Frauen. Der Weg verlief durch einen wirklich schönen Wald und wieder einmal musste ich an Grimms Märchen denken. Die Strecke führte in Richtung Inversnaid, wo wir gerne etwas essen wollten. Am liebsten warm, lecker und nicht zu teuer. Im Reiseführer stand etwas wie: "Noch eben befinden sie sich in nahezu unberührter Natur, sinnieren über den Mythos Rob Roy und plötzlich reißt sie das große viktorianische Hotel in Inversnaid zurück in die Wirklichkeit". Ganz so war es nicht unbedingt. Eigentlich null. Man hörte immer wieder ein Flugzeug, sah andere Wanderer - aber vor allem sah man die Autobahn auf der anderen Seite des Sees, deren Geräusche immer wieder zu uns hallten. Und Rob Roys Gefängnis hatten wir ja auch nicht gesehen, wo auch immer das gewesen sein soll. So groß war's wohl nicht gewesen. Oder wir haben es gesehen und es einfach nicht geschnallt? Auch möglich, bei uns zwei Pappnasen. 

Inversnaid

In Inversnaid ließen wir das Hotel links liegen und suchten den Ortseingang. Wir stellten uns das ganze eigentlich in etwa so vor wie in balmaha, wor wir auch in einem Restaurant draußen etwas gegessen hatten. Aber irgendwie fanden wir keinen Ortseingang und plötzlich standen wir wieder im Wald... wie ist das denn möglich??? Mittlerweile hatten wir auch schon ziemlichen Hunger und waren ein wenig grantig. Anne zweifelt auch schon an ihren Kräften und daran, dass sie die volle Etappe heute schaffen würde. Gestern war halt auch echt anstrengend gewesen und wir beide hatten so ziemlich unsere Grenze erreicht. Aber erstmal was essen, dann sieht die Welt ja wieder anders aus. Auf einem Felsen bot sich eine gute Möglichkeit, um den Kocher auszupacken und etwas von den Nudeln zu essen, die ich gekauft hatte. Danach ging es uns schon wesentlich besser. 

Wie sich nach unserem Mittagessen herausstellte, hatten Anne und ich in Rob Roys Höhle gekocht... Wer stellt das Schild den auch nach der Höhle auf? Hoppla. naja, immerhin hatten wir die gefunden. Nicht so wie sein Gefängnis und Inversnaid. Scheiß Inversnaid. 

Gestärkt ging es auf jeden Fall weiter, Weitere 10 km lagen vor uns. Auf dem Weg begegneten uns bald wilde Bergziegen. Die standen einfach da, rochen extrem nach Ziegenkäse und mampften unbeeindruckt von unserer Anwesenheit vor sich hin.  

Vom Loch Lomond zur Beinglas Farm

Sobald wir zum Ende des Loch Lomond kamen, wurde die Landschaft meines Erachtens nach immer schöner. Der Wald lichtete sich und mein Auge war hungrig auf die Highlands. Jedenfalls stapften wir erstmal weiter durch etwas sumpfiges Gelände, über kleine Brücklein bzw. Holzpfade. Hier war abstöckeln angesagt (unser Ausdruck für das Anheben der Wanderstöcke). Natürlich kann es hin und wieder passieren, dass selbst dem erfahrenen Wandersmann ein Stock in den Dielen hänge bleibt, weil die Landschaft das Auge gefangen nimmt. Lustig waren die Bergziegen, die einfach mitten im Baum standen. Auch sie begegneten uns mit einer Mischung aus Coolness und totaler Arroganz. Trotzdem auch noch unglaublich süß. 

Wie immer zogen sich die letzten Kilometer gut in die Länge. Gegen Ende plagten uns Gedanken einer nahenden Wasserknappheit. Also hielten wir an einem Bach an und füllten dort unsere Flaschen auf. No risk, no fun. Ansonsten hatten wir ja noch Kohletabletten und Perenterol im Rucksack... 

Zuvor hatten wir noch ein Ehepaar mit Hund getroffen, die Anne gegenüber bemerkten: "You look tired." Und Anne entgegnete frech: "Because I am." Die beiden lachten. Beim Wasserauffüllen trafen wir die beiden dann wieder. Mit entblößten Füßen saßen wir im Gras und sinnierten über den Sinn des Lebens, unsere letzten Stunden, bevor wir vor Erschöpfung zugrunde gehen würden und natürlich darüber, wie weit es wohl noch sein mag. Die beiden führten kurz Konversation mit uns und als sie hörten, dass wir den gesamten Weg mit 15 kg und Zelt auf dem Rücken zurücklegten, sprach die Frau ihre Bewunderung mit den Worten: "You are very keen" aus. Ja, das sind wir. 

Kurz darauf verabschiedeten wir uns wieder und machten uns auf zum ersten Campingplatz unserer Tour. Endlich duschen!

Beinglas Farm

3 km später waren wir angekommen. Die Beinglas Farm liegt wirklich schön und es gibt sogar einen Pub! Der Zeltplatz kostete uns 12 Pfund. Ganz okay. Immerhin waren die Duschen umsonst. Das bedeutete, dass wir genug Zeit hatten, um das ganze Fett gründlich von unseren geschundenen Körpern zu waschen. Einweichzeit mit einbegriffen. Wer weiß, wann wir das nächste Mal dazu kommen würden. Danach gingen wir ins Pub und aßen etwas. Für Anne gab es Curry und für mich einen Angus Beef Burger. Lecker. Noch eine Weile blieben wir im Pub sitzen und vergaßen dabei die Zeit, während alle anderen, die wir so während der Wanderung ständig gesehen hatten (die Blümchenrucksäcke, Mesut und der Bärtige) längst in ihre Löcher gekrochen waren. Irgendwann war es dann auch für uns so weit und wir wollten uns hinlegen. Davor war aber natürlich noch Zähneputzen angesagt. Im Bad trafen wir noch andere Camper, unter anderem eine Frau, die auf Englisch erzählte, dass das Zähneputzen mit der Zeit langweilig geworden sei und ihr Gesicht auch. Und dann kam sie richtig in Stimmung und sagte etwas wie: "It's like washing the same dishes every day. And now I'm nomore washing dishes and pans." Und dann sagte sie, dass sie einfach aus der Pfanne esse, weil sie das Spülen leid sei. Und die midges war sie auch leid. Sie schlug an die Wand, nachdem sie ihr Kopfnetz ausgepackt hatte und rief: "Fuck off, midges! Compassion! See you in another life!" Ich konnte nicht mehr vor Lachen. 

Mit schmerzenden Bäuchen vom vielen Lachen verkrochen wir uns in unserer Schlafsäcke. Im Nachbarzelt hatten zwei deutsche Mädels ebenfalls ihre Betten ausgebreitet. Die zwei waren aber leider anscheinend wichtigere Geschäfte erledigen, als der liebe Gott das Hirn verteilt hat. Ständig schlugen sie an die Wände ihres Zeltes, um die Midges zu vertreiben. Um 11 Uhr nachts. Dummköpfe. Glücklicherweise war ich ziemlich müde, hatte Oropax dabei und fiel schon bald in einen wunderbaren Schlaf. Bis morgen, Welt!
 

bottom of page