Tag 2: Craigallian - Drymen
Tagesstart
Bereits um 7 Uhr wurden wir von der zarten Landluft geweckt, die uns blumig und wohlig duftend unsere Nasen puderte. Okay, das ist geflunkert. Die Luft im Zelt war schon etwas ... verbraucht. Auch wenn das Lüftungssystem ansonsten weitestgehend hielt, was es versprach. Wir stellten fest, dass es regnete, was unsere Lust, aufzustehen, etwas hemmte. Was ganz schlau war: Ein Blick aus dem Zelt verriet uns recht schnell, dass die Tropfen auf das Zelt den Regen nur vorgaukelten: Eigentlich stammten sie vom Baum über unserem Zelt. Schlau. Wir begaben uns nach draußen, verschlangen als Frühstück gierig die restlichen Würstchen (wir hatten ja in Milngavie auf die Schnelle keinen Supermarkt gefunden) und packten dann unsere sieben Sachen. Für heute waren 20 km geplant. Das Zelt wurde leider leicht feucht eingepackt. Wir hatten etwas Bedenken, dass dadurch unser Stübchen am Abend nass sein würde.
Anfänglich streunten wir von nun an in leichtem Nieselregen umher. Es machte uns aber nichts aus und wir genossen die wundervolle Natur und das Wandern. Die Wege waren einfach, gut ausgeschildert und wir gut ausgeschlafen. Schon bald wagte die Sonne einen vorsichtigen Blick hinter den Wolken hervor. Die Destille, die auf dieser Etappe nahe des Weges liegt, haben wir getrost links liegen gelassen. Wir hatten (noch) nicht das Bedürfnis nach Hochprozentigem, wollten uns die Meter, die Zeit und die Kraft sparen. Außerdem waren wir froh über den momentanen Sonnenschein. Wer allerdings etwas touristischer unterwegs sein möchte, kann mit Sicherheit einen Blick in die Destille werfen und eine Verkostung wagen.
Walking On Sunshine
Unterwegs begegnete uns eine Frau, die einen verdreckten, nassen Schal in der Hand trug. Eigentlich hatte ich das gar nicht direkt bemerkt. Trotzdem erzählte sie uns voller Stolz, dass sie diesen Schal einst ihrer Mutter geschenkt hatte und diese ihn wohl bei einem Abendspaziergang "verloren" hatte. Den Bericht schloss sie ab mit den Worten (bitte mit schottischem Akzent lesen): "But she never mentioned to losing it. It's her lucky day." Jedenfalls ist es dann ihr lucky day, wenn sie den Schal nicht absichtlich verloren hatte... haha. Meine Cousine und ich witzelten ziemlich lange darüber. Bis Drymen (eigentlich spricht man das wie "Drimen" aus, für Anne und mich hieß es aber Drüüüüüümen), war dann nicht mehr besonders viel los. Unterwegs fanden wir jedoch eine "Honesty Box". Dort kann man sich etwas rausnehmen und den Preis, der auf der Liste angezeigt wird, einfach in die Kasse daneben werfen. Wir gönnten uns direkt mal ein Eis, während ein Mann neben uns auf der Mauer seine Hosenbeine in den Garten bergab fallen ließ und in einer spektakulären Rettungsaktion die Mauer hinabkletterte. Eine weitere lustige Begegnung war eine Wanderin in SANDALEN! Sie ließ den Spruch "See ya out there" fallen und wir zweifelten daran, dass wir sie wirklich out there sehen würden. Spätestens nach fünf Kilometern wird sie sich vermutlich die Quanten blutig gelaufen haben...
Ankunft in Drymen
In Drymen angekommen fanden wir einen SPAR-Markt, wo wir Essen und Getränke einkauften, um sowohl unsere Mägen als auch unsere Flaschen zu füllen. Dann setzten wir uns kurz auf eine Bank, genossen die Sonne, zogen die Füße blank und unterzogen sie einer ausgiebigen Massage. Das tut richtig gut mit den Kilometern in den alten Knochen.
Wir aßen etwas und dann ging es auch schon weiter.
Rückkehr...?
Aus den geplanten 20 km wurde leider nichts, als wir plötzlich hinter Drymen im Wald vor einem Schild mit der Aufschrift "Camping Management Zone" standen. In dieser Zone ist es nur mit einer speziellen Erlaubnis gestattet, sein Zelt aufzuschlagen. Und diese hatten wir natürlich nicht. Sollten wir erwischt werden, würde uns das 500 Pfund kosten. Das wollten wir mit Sicherheit nicht riskieren. Auch wenn mir hier schlagartig die Worte im Reiseführer einfielen: "Gehe nicht zurück, wenn man weitwandert, geht man nicht zurück. Auch wenn man etwas verloren hat. Den Weg will man nicht doppelt gehen", blieb uns wohl nichts anderes übrig, als ein paar Meter zurückzulaufen und den Zeltplatz unter den Bäumen zu nehmen, der sich uns noch vor ca. einer halben Stunde so schmackhaft angepriesen hatte. Da die Camping Management Zone erst in Rowardennan (unser nächstes Etappenziel) endet, packten wir hier also unsere Sachen aus, schlugen das Zelt auf und machten es uns so richtig gemütlich. Im Schutz der Bäume kochten wir uns unser Abendessen und legten uns dann auf dem bequemen Waldboden zur Ruhe.