Tag 10: Highlands - Fort William
Good morning...
Zu meiner eigenen Überraschung wurde ich nicht vom friedlichen Blöken der Schafe - was übrigens weniger nervig, sondern eher idyllisch war - geweckt, sondern vom leichten Prasseln des Regens. Anne und ich lümmelten noch eine halbe Ewigkeit im Zelt herum. Auf unserer letzten Etappe hatten wir es wirklich nicht eilig, denn diese stand heute an. Am liebsten wäre ich sogar einfach noch geblieben, so sehr blitzten die Bilder vom gestrigen Abend noch vor meinem inneren Auge auf.
Hilft alles nix.
Genau das dachte ich dann schließlich. Als es kurz nachließ zu regnen, bauten wir das Zelt ab und liefen los. Mich überkam plötzlich ein unglaublich wehmütiges und melancholisches Gefühl. Es trieb mir fast die Tränen in die Augen, denn mit dem Ende des gestrigen Tages war mir schlagartig bewusst geworden, dass auch diese Reise langsam zu Ende ging. Hinzu kam, dass die wunderbare Landschaft sich wandelte und wir bald einige Kilometer vom Lärm der Forstwirtschaft begleitet wurden. Wir wurden also jäh wieder in die Gegenwart und die Zivilisation gerissen, heraus aus der Idylle des gestrigen Tages und der damit einhergegangenen Ruhe.
Leider war die Landwirtschaft hier vor allem damit beschäftigt, jeglichen Wald zu vernichten... ein nicht gerade schöner Anblick von Bagger, Stümpfen und toten Bäumen lag vor unseren Augen. Insgesamt gingen wir die letzte Etappe wirklich SEHR gemütlich an.
Sonnja fehlt
Zu unserer Freude regnete es immerhin nicht, wenngleich "Sonnja" (die Sonne) ein langer Besuch wohl auch nicht geschadet hätte. Das Gelände wurde wieder "zivilisierter", wir passierten Gatter, sahen in der Ferne kleine Häuschen und trafen auch wieder auf erste Wanderer. Meine Zehen schmerzten zugegebenermaßen und der Weg zog sich ziemlich. Ab und an regnete es dann doch, als würden uns die Highlands nur mit großer Qual wieder zurück in die Zivilisation und in den Trott des Alltags spucken. Spätestens als wir wieder auf Wege, die fast von Farn zugewachsen waren, trafen, war uns bewusst, dass es wieder in Richtung besiedelten Geländes geht und wir den rauen Boden der Highlands hinter uns ließen.
Die Sache mit den Highlandrindern
Auf dem Rückweg fiel uns ein weiteres Mal auf, dass wir alles gesehen hatten, was wir uns erträumt hatten - sogar darüber hinaus - und dass alles wirklich hervorragend funktioniert hatte. Die Reise war wirklich super. Nur eine Sache. Eine Sache fehlte noch. (Zitat Anne:) "Ich will noch so ein scheiß Highlandrind sehen!" Bis dato hatten sie uns ja eher mit Nichtanwesenheit beschenkt, dabei sieht man doch auf JEDEM Bild mit schottischer Landschaft so ein Rind rumstehen. Kann doch nicht sein, dass wir noch kein einziges gesehen haben. Wir hatten uns sehr auf die sanftmütigen Knuddelmonster gefreut. Beim Abstieg nach Fort William - der sich auf breitem, ziemlich langweiligem Weg ziemlich zog - sinnierte ich darüber, oder auch über den Schmerz meiner Zehen, der mich in einen zustand zwischen Ohnmacht und Tobsucht versetzte. Als wir schließlich die Abzweigung zum Campingplatz gefunden hatten, kam die gähnende Leere meines Magens zu diesem Gefühlszustand hinzu und ließ den Regler etwas mehr in Richtung Tobsucht laufen. Und dann. Urplötzlich. Standen sie da.
DREI Highlandrinder.
Auf einer Wiese. Mitten zwischen den Häusern. Ich konnte es wirklich kaum glauben. die Freude bewog mich dann wieder etwas mehr zur Ruhe. Ich schoss hier auch mein "legendäres" Foto, welches meine Website schmückt. Sieht so aus, als ob ich es irgendwo tief in den Highlands geschossen hätte, aber nein :) Einfach quasi mitten in Fort Williams.
Auf dem Campingplatz angekommen
"Meine Ruh ist hin", dachte ich dann, als wir auf dem Campingplatz ankamen. Die dumme Rezeption des überdimensionalen Campingplatzes war einfach überhaupt nicht auffindbar. Dabei schmerzten unsere Füße doch so sehr! Nach 20 Minuten und Fragen auf dem Platz hatten wir es dann aber und durften herrliche 20 Pfund für die Nacht blechen. Aber der Platz an sich war in Ordnung, die Duschen kostenlos und das Wasser angenehm warm. Nach unserer wieder einmal längst überfälligen Dusche (die letzte war abends beim Glencoe Mountain Resort gewesen) begaben wir uns zum benachbarten Pub, wo wir uns ein lokales Bier und leckeres Essen bestellten. Anne nahm Curry und ich ein seltsames Gesicht, welches aussah wie Gulasch mit Brotkuchen obendrauf. Dazu gab es Pommes und Erbsen.
Auf jeden Fall schmeckte es wirklich hervorragend. Wir blieben auch hier eine ganze Weile, unterhielten uns und ließen den Abend schön ausklingen.