Tag 5: West Hook Farm Camping - Skomer Island
01.06.2023
Heute steht mein Besuch auf der Skomer Island an, wo man Papageientaucher beobachten können soll. Viele haben mir im Vorfeld der Reise meine Illusionen geraubt und gesagt: "Ach Lena, du musst bestimmt ganz schön die Augen offen halten, um überhaupt welche sehen zu können, nimm auf jeden Fall ein Fernglas mit."
Ich habe keins dabei. Mal sehen.
Gestern Abend habe ich noch einmal eine Erinnerungsmail für den Trip erhalten, die darauf hinwies, dass man eine ganze Stunde vorher vor Ort sein soll. Der Bootsanleger ist nicht weit weg vom Campingplatz und ich kann durch das Gatter, welches ich am ersten Tag gefunden habe, gemütlich dort hinlaufen, wenn ich nach links gehe. Trotz bevorstehendem Fußmarsch kann ich heute gemütlich in den Tag starten, denn es sind nur etwa 15 Minuten bis dorthin - ich habe mir also den idealen Campingplatz rausgesucht. Das Boot geht erst um 11.30 Uhr und deshalb bleibt mir genug Zeit, um gemütlich meinen Rucksack zu packen, Rührei mit Tomaten und Paprika zu frühstücken und mich dann auf den Weg zu machen.
Schnell gelange ich zu Martin's Haven, wo das Boot zur Skomer Island ablegt. Dort melde ich mich in der kleinen Lodge an. Beim betreten höre ich leise, fast magisch wirkende Musik. Man hätte sie auch mit Aufzugmusik schlechtreden können, doch auf mich wirkt sie, als läge ein Glitzern in der Luft. Ich bin entspannt und voller Vorfreude. Zu meinem Ticket erwerbe ich noch einen schwarzen Tee und einen kleinen Guide über die Insel für insgesamt etwas mehr als 4 Pfund. Ich laufe wieder nach unten in Richtung Anlegestelle und trinke dort gemütlich den Tee, bis es dann endlich losgeht. Neben mir nehmen noch schätzungsweise 25 bis 30 weitere Menschen auf dem Boot Platz. Ich beobachte sie. zwei jüngere Typen etwa in meinem Alter scheinen deutsch zu sein, denn ich schnappe ein paar Wortfetzen auf. Wir unterhalten uns aber nicht und ich will auch eher meine Ruhe haben. Dann sind da noch ein paar ... wahrscheinlich Briten? Sie sind gekleidet in der Tarnkleidung von waschechten Naturfotografen und tragen riesige Objektive mit sich herum. Sie sprechen aber so undeutlich, dass ich nichts verstehen kann. An Bord sind außerdem wieder einige Weichspüler-Touris (weil sie so nach Weichspüler riechen haha) und aufgehübschte FlipFlop-Träger, die offensichtlich nur für ein paar fetzige Handyschnappschüsse gekommen sind, die richtige Natur aber nie wirklich spüren. Ich ignoriere alle Mitinsassen und versuche stattdessen, dem Mann zuzuhören, der gerade eine Druchsage mit Erzählungen über Skomer Island macht. Er ist alt und hat ein sympathisches britisches Gesicht, aber ich verstehe nur die Worte, die es durch den lauten Motorenlärm und durch die schlechten Lautsprecher zu mir schaffen. Und als er gerade davon spricht, dass ein Puffin ihm ein Geheimnis erzählt hatte - welches, kann ich nicht hören - jedenfalls gerade in diesem Moment sehen wir auch schon die ersten Puffins vor der steilen Felsküste im Wasser, in der Luft und an den Klippen sitzen, schwimmen und fliegen. Wir legen an und jeder beginnt sofort zu fotografieren. Die Puffins sind kleiner als erwartet, aber es ist unfassbar schön, sie zu sehen.
Ich hatte wirklich nicht geglaubt, dass es so viele sein würden - und ich bin gerade erst angekommen! Ich beschließe, den größten Rundwanderweg zu nehmen. Er führt einmal rund um die Insel und durch alle möglichen Habitate unterschiedlicher Vogelarten. Drei Stunden waren dafür angesetzt. Insgesamt ist es mehr ein Spaziergang als eine Wanderung, aber ich genieße es sehr. Jede einzelne Klippe ruft Staunen in mir hervor. An einer Stelle kann ich sogar Seehunde im Wasser schwimmen sehen. Insgesamt gibt es vier oder fünf Stellen, an denen man unzählige Puffins bewundern darf. Die schönste liegt in einer Art Bucht und hier sind so viele Tiere, dass man nicht weiß, wo man hinschauen soll. Dazu reihen sich viele andere Vogelarten und stimmen in das Konzert der Papageientaucher mit ein, sodass eine unglaubliche Geräuschkulisse entsteht. beinahe watscheln mir die Vögel mit ihren süßen Patschefüßchen über meine Schuhe. Ich schieße unzählige Fotos und am liebsten würde ich auch nicht damit aufhören. Gleichzeitig genieße ich es auch, sie dabei zu beobachten, wie sie Fisch an Land bringen, miteinander zanken, gähnen, in ihren Löchern sitzen oder neue Löcher ausheben. Nie im Leben hatte ich drei Stunden für den Weg gebraucht. Am Ende habe ich noch eine ganze Stunde Zeit. Die Zeit ist nämlich begrenzt - jeder Besucher darf nur fünf Stunden bleiben, um den Andrang möglichst gering zu halten und die Tiere zu schützen. Jedenfalls bleibt mir noch eine Menge Zeit übrig, obwohl ich viele Bilder gemacht und ausreichend Pausen eingelegt habe. Ich suche mir einen Platz auf einem Felsen, setze mich hin und genieße noch eine ganze Weile den Ausblick, bevor ich mehr als rechtzeitig an der Anlegestelle ankomme. Dort habe ich dann noch einmal Zeit, Puffins zu beobachten und dann geht es auch schon zurück. Wieder steht da der alte Mann und erzählt durch das undeutliche Mikrofon und die viel zu leisen Lautsprecher. ich bin jedoch nicht sicher, ob es wirklich der gleiche Mann ist wie heute Morgen. Erst als wir ankommen, kann ich ihn verstehen, weil das Mikrofon ausgefallen ist und seine Stimme nicht mehr so stark verzerrt wird. Er spricht darüber, wie stolz er auf die Arbeit des hier waltenden Naturschutzbundes (zu dem er logischerweise auch gehört) sei und darauf, in welch grandiosem Zustand sich die Insel heute befände. Dann weist er darauf hin, dass wir alle nochmal in die Lodge gehen sollen, um Souvenirs zu kaufen und dadurch Geld zu spenden. Das hatte ich mir ohnehin vorgenommen.
"I'm Jom and I wish you a lovely day. Bye!" Mit diesen Worten hebt er die Arme und kehrt sich ab. Wir klatschen und verlassen das Boot. Im Souvenirshop kaufe ich einen Schlüsselanhänger, eine Tasche, einen Magneten, einen bemalten Stein und eine Postkarte und mache mich dann auf den Heimweg. Dort setze ich mich noch ein bisschen hin, gehe dann duschen, koche mir etwas und packe schon ein bisschen für die morgige Weiterfahrt, die ich auch noch plane - denn das nächste Ziel steht noch nicht zu 100% fest. Dann falle ich müde ins Bett...